Schlagwörter

, , , , , , ,

Neulich fragte ich mich, was mir unverzichtbarer erscheint, Fahrrad – seit meiner Post-Dreiradzeit absolut unununverzichtbar – oder Smartphone. Das Ergebnis war ein klares Unentschieden.

Wie alle Kreativen ohne IT-Gen gehöre ich bislang zur den Anhängern der Apple-Sekte, die uns mit ihren Produkten ebenso gut versorgt, wie abhängig macht. Aber vielleicht steige ich demnächst um. Seit kurzem ist das Fairphone aus Holland auf dem Markt. Ein Smartphone, das fair produziert wird und dessen Elemente aus konfliktfreien Ressourcen stammen. Medienberichte gab’s viele dazu. Ich wollte direktere Infos, und so habe ich mich heute mit jemandem getroffen, der das faire Smartphone seit zwei Monaten besitzt.

IMG_1491

Marc Winkelmann ist als Chefredakteur der Zeitschrift ENORM, von Haus aus interessiert an nachhaltigen Konsumgütern. Ein neues Gerät war in absehbarer Zeit eh fällig, also bestellte er das Fairphone ungesehen und ungetestet im Juni 2013 und gehörte somit zu den Crowdfundern, die den Start des Projektes finanzierten.

Sieben Monate später wurden Idealismus, Geduld und Risikobereitschaft mit Post aus Holland belohnt. Der erste Eindruck: Das Fairphone liegt gut in der Hand, ist allerdings schwerer als die konventionellen Modelle. Dafür lässt es sich auseinander nehmen. Entfernt man die rückwärtige Hülle, so findet man nicht nur Akku und Sim-Karte, sondern auch noch einen freundlichen Gruß des Herstellers, weil man sich für ein unbekanntes Alternativ-Produkt entschieden hat, anstatt für die allgemein abgesegnete und vermeintlich sichere Qualität großer Anbieter.

Dass man das Gerät öffnen und hineinschauen kann, erhöht das Vertrauen und die Lebensdauer, denn so sind defekte Teile, wie beispielsweise der Akku, austauschbar und müssen nicht mitsamt dem ganzen Telefon entsorgt werden. Entsprechende Repair-Cafés (auch eine Erfindung aus Holland) blühen inzwischen weltweit auf.

IMG_1495

Tatsächlich kann dieser Minicomputer, der von einer 30-köpfigen Firma in Holland  entwickelt  und auf den Markt gebracht wurde, all das, was die Konkurrenz-Modelle der riesigen Konzerne auch können.  Sound und Kamera sind verbesserbar, aber der Beweis liegt vor, dass David neben Goliath bestehen kann.

Das macht auch für Marc Winkelmann den Reiz dieses Gerätes aus. Dass sich Leute zusammentun, um etwas Neues zu entwickeln, dabei vielleicht Fehler machen, länger brauchen als geplant, aber eben etwas tun und ausprobieren, anstatt nur zu lamentieren über vorhandene Missstände. Ein ausführliches Interview mit den Machern  des Fairphone gibt’s übrigens in der nächsten enorm-Ausgabe, die im April erscheint.

Ach ja, zum Lieferumfang gehören bei Apple-Technik ja immer hübsche Aufkleber, die dazu animieren sollen, gratis noch ein bisschen mehr Werbung für den Konzern zu machen. dem Fairphone liegen zwei Postkarten bei. Eine mit dem Fairphone-Logo und -Schriftzug, eine weitere ist in gleicher Schrift mit Failphone bedruckt, als Eingeständnis für Nicht-Perfektion. Auch in Sachen Humor und sich-nicht-ganz-so-wichtig-nehmen sind die Holländer weit vorn.