Allzu frühes Erscheinen beim Copenhagen Fashion Summit letzten Donnerstag bescherte mir die Bekanntschaft mit Eva Kruse, Leiterin des Danish Fashion Institute und Initiatorin der Veranstaltung. Die glamouröse Blondine, erschien in einem weißen oversized Outfit, das ebenso nackte wie durchtrainierte Arme freilegte, bei deren Anblick ich trotz Schal und Wolljacke noch mehr fror. Ein ziemlich frischer Wind pfiff um die imposante königliche Oper am Hafenbecken, direkt gegenüber dem königlichen Schloss in Kopenhagen, wo vergangenen Donnerstag die größte Konferenz zum Thema Nachhaltige Mode stattfand.
Unter der Schirmherrschaft von Kronprinzessin Mary kamen Politiker, Manager, Kreative und Journalisten aus aller Welt zusammen, um über Möglichkeiten zu diskutieren, die Modeproduktion fairer und ökologischer zu gestalten. Seit 2009 fand die Konferenz bereits zum dritten Mal statt. Prominente Redner wie Livia Firth, Gründerin von Eco Age, Hollywood-Schauspielerin Connie Nielsen, die dänische Wirtschaftsministerin und stellvertretende Ministerpräsidentin Margrethe Vestager, Vanessa Friedmann von der Financial Times und führende Manager von Bottega Veneta, H&M und dem Luxuskonzern Kering suchten zusammen mit rund 1.100 Teilnehmern, unter denen ich auch Mario Testino und Hamish Bowles entdeckte, nach Lösungen, um den enormen ökologischen Fußabdruck, den die Branche täglich hinterlässt, zu verringern.
Das Datum war nicht zufällig gewählt. Der 24. April markiert so etwas wie den 11. September der Modebranche. Wie bereits berichtet, stürzte vor genau einem Jahr in Bangladesh das Rana Plaza, ein achtstöckiges Gebäude mit mehreren Textilfabriken zusammen. Da Information der erste Schritt zur Veränderung ist, wandten sich die Redner mit ihren Lösungsansätzen mehrfach an die Verbraucher. Zum Beispiel mit der Initiative clevercare.info, die auf ihrem Internetportal und durch Pflege-Etiketten in den Kleidungsstücken darüber informiert, wie Kleider am besten gewaschen, getrocknet und geglättet werden, um dabei wenig Energie zu verbrauchen und zugleich lange zu halten. Denn 26% der Energie, die ein Kleidungsstück durchschnittlich beansprucht, fallen bei dessen Pflege an. Weniger Waschgänge, das Vermeiden chemischer Reinigungen, niedrigere Waschtemperaturen, geringere Schleudergänge und Trocknen an frischer Luft sparen Energie, Kosten und schonen jedes Kleidungsstück, wie Stella McCartney in einem zugeschalteten Videogruß erläuterte: „Weniger waschen, länger tragen.“
Vanessa Friedmann, Moderedakteurin bei der Financial Times und künftige Leiterin des Moderessorts bei der New York Times versuchte in ihrem Redebeitrag überhaupt erstmal den Begriff „Nachhaltige Mode“ zu definieren und kam zu dem Schluss, dass der Begriff ein Paradoxem in sich ist. Anstattdessen sei aber eine nachhaltige Garderobe möglich und sinnvoll. Deshalb empfahl sie die Lebensweise ihrer Großmutter: Wenig und bewusst einkaufen und die erworbenen Teile pflegen, um sie langfristig zu erhalten.
Dänemarks Wirtschaftsministerin Margrethe Vestager regte in ihrem rhetorisch starken Redebeitrag dazu an, ungeliebte Kleidungsstücke zu tauschen. Swap-Parties, Secondhand-Läden und online-Plattformen bieten entsprechende Möglichkeiten: „One girl‘s trash is another girl‘s treasure.“ Reduce, Share & Recycle wurden wiederholt als Hauptlösungsansätze für das Verbraucherverhalten proklamiert. Und wenn es nur Anteile eines Kleides sind, die wieder verwertet werden. So berichtete Kronprinzessin Mary, dass sie sich für diesen Tag vom dänischen Label Designers Remix ein Outfit hatte entwerfen lassen, das komplett nachhaltig ist. Da man keinen ökologisch einwandfreien Reißverschluss finden konnte, wurde ein gebrauchter eingenäht.
Der französische Luxuskonzern Kering (ehemals PPR), zu dem u.a. die Label Gucci, Brioni, Saint Laurent und Puma gehören, wurde vertreten durch Marie-Claire Daveu, Leiterin der Abteilung Nachhaltigkeit. Sie sprach in wunderbar französischem Englisch davon, wie wichtig das Thema Nachhaltigkeit für den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens ist. Mit dem Prinzip „Sustainable business is smart business“ hat Konzern-Chef François-Henri Pinault quantitative Zielvorgaben für Umweltschutz und soziale Projekte festgelegt, die für alle beteiligten Unternehmen gelten. Außerdem erarbeitet Kering ein Instrument zur Messung des ökologischen Fußabdruckes des Konzerns, den sogenannten „Environmental Profit & Loss Account“. Dieses von Puma entwickelte Konzept soll 2016 auf den gesamten Konzern ausgeweitet werden. Dafür wurde der Konzern am Vorabend der Konferenz mit dem Global Leadership Award in Sustainable Apparel (Glasa) 2014 ausgezeichnet.
Zu Wort kamen natürlich auch Vertreter des gegenüberliegenden Endes von Modequalität: Der schwedische Modegigant H&M war – sicher auch Dank eines umfänglichen Sponsorings der Veranstaltung – geradezu allgegenwärtig. Die vierzehn Tage zuvor gelaunchte zweite „Conscious Collection“ wurde während des Fashion Summit prominent ausgestellt und mit Helena Helmersson und Catarina Midby schickte der Konzern gleich zwei Vertreterinnen nach Kopenhagen, die in Redebeiträgen und auf mehreren Podiumsdiskussionen versicherten, wie ernst es dem Unternehmen ist, mit Sozialstandards und Umweltschutz.
Das war am Ende des Tages wohl etwas zu viel schwedische PR für die engagierte Unterstützerin ethisch korrekter Mode, Livia Firth. Zu Beginn der letzten Diskussionsrunde rutscht sie unruhig auf ihrer Stuhlkante herum, gespannt, wann sie endlich das Wort erhält und greift Helena Helmersson, Leiterin der Abteilung Nachhaltigkeit bei H&M scharf an. Sie fragt, wie viele Kollektionen eine Firma anbieten muss. „Brauchen wir wirklich die 60 angebotenen Kollektionen pro Jahr und ist es tatsächlich demokratisch, dass wir Jeans für 20,- und T-Shirts für 5,- € besitzen? Wird uns nicht nur vorgegaukelt, dass wir reich sind, weil wir uns so viele Kleider leisten können? Die einzigen, die wirklich reich dabei werden, sind die riesigen Konzerne der Billig-Mode-Hersteller!“
Deshalb fordert sie nicht nur ein Rating-System für Modemarken, das dem Konsumenten eindeutig Auskunft gibt über die sozialen und ökologischen Hintergründe, sondern auch Handelsbeschränkungen, die die irrsinnigen Reisen von Textilien beenden. Denn bevor eine amerikanische Jeans in einem deutschen Laden liegt, wurde die Baumwolle aus Kasachstan zum Färben nach Indien, zum Nähen nach China, zum Bleichen nach Pakistan und zum Labeln und Verpacken nach Griechenland geschickt, weil die Industrie sich immer den billigsten Produktionsort aussucht, so dass die Jeans die Erde bereits mehrfach umkreist hat, bis sie dazu kommt, den ersten Allerwertesten knackig zu verpacken.
Handprint von eco age tv
Ein wunderschönes Video über die vielen Hände, die an unserer Kleidung gearbeitet haben, zeigte Livia Firth während der Konferenz.
Schlussendlich ist neben der Industrie der informierte Verbraucher gefordert, der bewusst entscheidet. Eva Kruse beschloss die Veranstaltung mit dem Hinweis auf die Macht der Konsumenten: „Es macht fast mehr aus, was wir kaufen, als wen wir wählen.“